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Geschichte der Schützenvereine

Wohl nur wenige Institutionen der heutigen Gesellschaft können auf eine so weitreichende Tradition zurückblicken wie die Schützenvereine. Sie haben sich trotz wechselhafter Schicksale vom Mittelalter bis in die Gegenwart hinein erhalten.

 

Abgesehen von den Urschützengilden, bei denen es sich beim Vogelschießen oder Vogelschlagen offensichtlich um ein frühreligiöses Kulturopfer - um heidnische Praktiken - handelte, kann der Ursprung des deutschen Schützenwesens im 12. Jahrhundert nachgewiesen werden. Ein weiteres Zurückverfolgen scheitert auch daran, daß vor dieser Zeit nur die Geistlichkeit ‘Chroniken’ führte - und die hatte verständlicherweise über heidnische Bräuche nicht berichten wollen.

 

Geschichte

Das älteste noch vorhandene Schriftstück nennt die rheinische Schützengilde Gymnich mit dem Gründungsjahr 1139. Hier noch weitere nachweisbare Gründungen:

 

  • 1120 Priviligierte Schützengesellschaft Goslar
  • 1190 Schützengilde Düsseldorf
  • 1192 Schützengesellschaft zu Oldenburg Holstein
  • 1214 Schützengilde Polch (Südeifel)
  • 1240 Schützengesellschaft Aachen
  • 1250 Schützengilde Herzogenrath
  • 1252 Schützengilde Hersfeld (Hessen)
  • 1286 Schützengilde zu Schweidnitz (Sachsen)
  • 1290 Schützengilde Reutlingen
  • 1293 Schützengesellschaft Freiburg (Breisgau)

 

Vorstehende Aufstellung kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben, da aus den Anfängen des Schützenwesens in Deutschland bedingt durch den II.Weltkrieges kaum noch Aufzeichnungen vorliegen.

 

Bis auf die 1192 gegründete St. Johannis Toten- und Schützengilde zu Oldenburg Holstein, die in der Gegenwart als die älteste weltliche Schützenvereinigung im norddeutschen Raum angesehen werden kann, können die Schützenvereinigungen in diesem Bereich zwar nicht so frühe Gründungsdaten aufweisen wie die süddeutschen Zusammenschlüsse, doch reicht auch ihre Geschichte teilweise bis ins 14. Jahrhundert zurück. So erwähnte Heinrich Magdeburg 1884 in seiner „Geschichte des Schützenwesens der Königlichen Residenzstadt Hannover" ein altes Pergament aus dem Jahre 1379 im Deputiertenzimmer des Schützenhauses. Er stellte heraus, daß diese Statut das einzige Aktenstück über die Schützengesellschaft Hannovers sei und beweist, daß schon damals neben dem Schützenwesen als städtische Institution ein Privatschützenverein bestand, welcher die Elite der Bürgerschaft zu seinen Mitgliedern zählte und wöchentliche Übungsschießen mit der Armbrust abhielt. Weiterhin gab es auch Schützengilden bereits in Hildesheim (1367), Harburg (1528), Buxtehude (1539) und Winsen/Luhe (1592). Zur Winsener Schützengilde bleibt anzumerken, daß die Tradition dieses Zusammenschlusses durch das 1848 gegründete Schützenkorps Winsen/Luhe fortgesetzt wurde.

 

Aus der Geschichte des Schützenvereins Moisburg von 1861, der in den ersten Jahren nach der Gründung noch „Schützengilde Moisburg" hieß, ist ebenfalls zu entnehmen, daß dort in verschiedenen Zeiträumen bereits Schützengilden vorhanden waren (1568-1623 und 1756 - 1803).

 

Gilden und Bruderschaften

Das in Gilden und Bruderschaften organisierte Schützenwesen war anfangs eine reine Zweckvereinigung zum Schutz der Städte und Flecken. So waren die ersten Schützengilden zugleich Bürgerwehren und oft einzige Schutzmacht gegen Bedrohung. Aus diesem Grund wurden sie von den Landesfürsten und Magistraten gestützt und gefördert, denn sie legten Wert darauf, die Wehrfähigkeit der männlichen Bevölkerung zu erhalten.

 

Die Schützenfeste, die ebenfalls von der Obrigkeit gefördert wurden und einmal jährlich stattfanden, waren bald Höhepunkte der geforderten Schießübungen, die auch in der Bevölkerung lebhaften Zuspruch fanden, zumal im Gegensatz zu den frühen Ritterspielen und Turnieren auch das „einfache" Volk teilnehmen konnte.

 

Je stärker das Bürgertum damals wurde, um so mehr entwickelten sich die Schützengilden zu den tragenden Kräften der Gesellschaft; es kam im 14. und 15.Jahrhundert zu einer Blütezeit des Schützenwesens. Die Schützengilden nahmen bald die straffen Organisationsformen der Handwerkerzünfte an. Schützenordnungen legten die Bedingungen für den Eintritt in die Gilden fest und regelten alle weiteren Belange, wie z.B. die Teilnahme an Schießübungen, Ausmärschen und Begräbnissen, aber auch die Unterstützung verarmter Mitglieder. Sie enthielten weiter genaue Anweisungen für das Verhalten bei Schießübungen, für die Teilnahme am Königsessen und für das Auftreten in der Öffentlichkeit. So war bei Androhung empfindlicher Geld- bzw. manchmal auch Prügelstrafe verboten, „öffentlich des Glückspiels zu fröhnen" und „sich des übermäßigen Suff’s zu ergeben".

 

Mit dem Aufbau von „stehenden Heeren" verloren die Schützengilden immer mehr an Bedeutung, was sich nach dem Ausbruch des 30jährigen Krieges (1618-1648) fortsetzte und 1803, mit der 10jährigen französischen Besetzung Deutschlands unter Napoleon, bis zur Auflösung vieler Schützengilden führte.

In den folgenden Jahrzehnten nach der Befreiung der deutschen Staaten von den napoleonischen Truppen ( Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813) bildeten die verbliebenen Schützenvereinigungen nicht mehr den Kern der Bürgerwehren, sie stellten jetzt die Pflege des Schützenbrauchtums, der Kameradschaft und Geselligkeit sowie des Schießsports in den Vordergrund.

 

Nachdem der Nationalgedanke immer stärker wurde, kamen auch die Schützenvereinigungen mit ihren patriotischen Tradition wieder zu größerer Geltung. So erfolgten auch in der näheren Umgebung Zusammenschlüsse, wie z.B. die Gründung des Schützenkorps Winsen/Luhe im Jahr 1848 - in dem Jahr, in dem die gewählte Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat, um eine Verfassung für einen Staat aller Deutschen zu erarbeiten.

 

Darüber hinaus wurde 1854 im Beisein des Hannoverschen Königs Georg V in Tostedt ein Schützenverein gegründet. Georg V wurde auch der erste Tostedter Schützenkönig, und er war es auch, der den Schützenbrüdern des Ortes die Sondergenehmigung zum Tragen der Uniform der Hannoverschen Jäger erteilte, die aus dem grünen Rock mit schwarzem „Sammetkragen" und grüner Tuchkappe mit Eichenlaub bestand. Voller Stolz wird diese Traditionsuniform noch heute von den Tostedter Schützen getragen.

Das Schützen- und Gildewesen war auf das Engste mit der Geschichte des jeweiligen Landes verbunden und mit Ausnahme von wenigen Zeitabschnitten hat sich die Obrigkeit zu den Schützenbrüdern hingezogen gefühlt. Ob Fürsten, Herzöge, Bischöfe, Monarchen oder Diktatoren - sie alle wußten oder ahnten, daß die Schützengilden frei von jeder politischen Bindung Bollwerk des Bürgertums waren. Wer ihre Unterstützung suchte, fand Freundschaften und Verbundenheit.

 

Das Wort „Gilde" ist ein uralter deutscher Begriff und bedeutet „Opfer". In dem Eintreten des einen für den anderen, bei Not und Gefahr, bestand das Opfer. Diese Opferbereitschaft auf Gegenseitigkeit war aber auch das feste Fundament des Schützenwesens überhaupt.